„Bächlein, lass dein Rauschen sein“ möchte man eigentlich sagen, wenn man den Probensaal im Kloster in St. Trudpert bei geöffnetem Fenster betritt, und so beginnt ja auch der Block der Schubert-Lieder aus „Die schöne Müllerin“. Aber dieses Bächlein gehörte zu dem Gefühl des Nach-Hause-Kommens dazu, als wir freitags unsere Zimmer in den Häusern St. Agnes und St. Joseph bezogen, das liebevoll zubereitete Abendessen in Chorgemeinschaft genossen und uns dann zur ersten abendlichen Chorprobe versammelten. Ein Blick aus dem Fenster, „hallo, liebes Bächlein“, und dann zum Ohrenschmaus auch noch die Augenweide: Der Mond steht schon voll am Himmel, und fast sind wir versucht, erst noch einen kleinen Spaziergang in der Abendstille zu machen, zumindest aber ein Foto zu schießen. Aber pflichtbewusst nimmt jeder seinen Platz ein, alle haben die Noten und Bleistifte dabei, und nachdem uns unser Chorleiter einen „zauberhaften Abend“ gewünscht hat, beginnt unser Probenwochenende.
Es sind nur noch zwei Wochen bis zu unserem Jahreskonzert am 26. März, das in diesem Jahr unter dem Motto „Heute hier – morgen dort … Lieder fahrender Gesellen“ steht. Einen genauen Plan hat Wolfgang Erber für diese Tage, und bevor es ans „verschärfte Arbeiten“ geht, mahnt er noch: Seid nett zu einander! Es sind aber auch Herausforderungen, vor die wir hier gestellt werden: Beim „Strampedemi“ sollen wir Horrorgesichter machen?! Wenn das Mägdelein schluchzend und weinend den Rain entlang geht, sollen wir es auch so zum Ausdruck bringen. „Unserem Publikum müssen Schauer den Rücken hinunterlaufen. Taschentücher stellt die Firma Tempo gern bereit.“ Wenn es dem pubertierenden Teenager egal ist, ob die Mutter „nein“ oder „ja“ sagt, dann soll man unserer Körpersprache auch diesen „Rotzbengel“ anmerken!
Dann ist da noch die Art und Weise zu betrachten, wie man spezielle Töne singt: An einer Stelle sollen sie besonders locker gesungen werden; hier wäre die Vorstellung eines entspannenden Wannenbades hilfreich! Wenn der Sopran die besonders hohen Töne in den Schubert-Liedern zu singen hat: Machen Sie sich groß, ruhen Sie sich aus auf dem Ton, genießen Sie ihn! Der erste Ton eines Stückes muss ein Klangerlebnis sein! Das sind alles so tolle Hinweise: Wenn man sie beachtet, ist es relativ einfach und klappt überraschend gut, so dass wir nicht nur unseren agilen Chorleiter zu begeistertem „super!“ hinreißen, sondern auch sein Partner am Klavier stimmt diesem Lob zu.
Seit Samstagmorgen hat Wolfgang Erber Unterstützung. Reinhard Roth, uns von gemeinsamen Auftritten schon bekannt, wird heute die Klavierbegleitung übernehmen und es dadurch unserem Chorleiter ermöglichen, sich nur auf seine „Fuchtelei“ vor dem Chor zu konzentrieren. Lockere Bemerkungen wie diese spiegeln die Stimmung wider, in der wir während dieser Proben arbeiten. Ein eingespieltes Team, Chorleiter und Pianist. Man merkt ihnen an, wie lange und mit welchem Spaß sie stets miteinander arbeiten. Ein verbaler Schlagabtausch nach dem anderen bringt uns Chorsängerinnen und Chorsänger immer wieder zum Schmunzeln, und das wollen die Beiden erreichen. Sie bringen mimisch zum Ausdruck, was die Komponisten mit ihrer Musik dem Publikum erzählen wollen – und uns reißen sie mit.
Es wurde viel und intensiv gearbeitet in diesen Chorproben außerhalb des normalen Alltags. Aber auch das soziale Miteinander nahm einen großen Raum ein. Eine herrliche Landschaft und warmer Frühlingssonnenschein lockten zu entspannenden Spaziergängen. Lustiges Geplauder und hohe Geräuschkulisse im Speiseraum bei den Mahlzeiten waren Zeichen dafür, dass es an Gesprächsthemen nicht mangelte. Da war dann ebenso Lob zu hören über die „aufbauende Pädagogik mit schier grenzenloser Geduld“ unseres Chorleiters wie auch untereinander anerkennende Worte über die während dieser Proben errungenen Erfolge einzelner Stimmgruppen, schöner Ausdruck gegenseitiger Motivation.
Die Abende standen unter dem Motto „Spaß und Unterhaltung“ und da fand jeder das für ihn Passende. Karten- und Brettspiele oder lose Plauderrunden; passende Getränke und Knabbereien schufen eine lockere Atmosphäre. Der Büchertisch, für den Eva-Maria auch die „Genehmigung zum Sonntagsverkauf“ eingeholt hatte, fand wieder großen Anklang. Viele Bücher fanden neue Besitzer.
Ganz im Zeichen von Wünschen und Fragen stand der Sonntagmorgen. In aller Ruhe wurden noch „wacklige Stellen“ wieder und wieder durchgeprobt. Die Zigeunerlieder machten Wolfgang Erber so einen Spaß, dass er die Frage stellte „Wer hätte denn Lust, an meiner Stelle zu dirigieren? Ich würde hier so gern selber mitsingen“.
Ein anspruchsvolles Konzert liegt vor uns, und wir freuen uns darauf, mit unserem energiegeladenen Dirigenten Wolfgang Erber und dem temperamentvollen Pianisten Reinhard Roth diese Aufgabe zu einem schönen Erlebnis für unser Publikum zu machen. Genießen werden wir selbst die Solistin Hanna Roos.
Text: Madeleine Bierwirth
Bilder: Arnold Armbruster